Reisebericht 29 Bolivien Drucken E-Mail

Flagge Bolivien„Wir sind das reichste Land – weil wir hier noch Zeit haben“ sagen die Bolivianer über ihr Heimatland.

 

Nicht nur die Zeit auch die Bodenschätze sind reichlich vorhanden, ob Zinn, Eisenerz Erdöl oder Erdgas das Land besitzt noch genügend davon. Bolivien ist dennoch im Pro-Kopf-Einkommen eines der ärmsten Länder Südamerikas „Bettler auf goldenem Thron“ und mit knapp 60 Prozent auch das mit der höchsten Indianerbevölkerung. Im öffentlichen Leben und vor allem in den höheren Positionen ist diese Mehrheit der Bevölkerung jedoch stark unterrepräsentiert. Im Jahr 2005 wurde Evo Morales, die Führungsfigur der Chapare-Cocabauern, der erste indigene Präsident Boliviens.

Das Land grenzt im Norden und Osten an Brasilien, im Westen an Peru und Chile und im Süden an Argentinien und Paraguay und ist dreimal so gross wie Deutschland mit aber nur zehn Millionen Einwohner.

Geprägt wird Bolivien von dem Kontrast zwischen der kalten, andinen Höhe und dem heissen Tiefland. Zwischen den beiden Bergketten Boliviens, den westlichen, vulkanischen Anden und den Kordilleren, liegt das Altiplano (Hochland), das dichtbesiedelte Gebiet Boliviens. Dort wo die Anden in das Amazonasbecken abfallen, liegt die fruchtbare Region mit den Nebelwäldern. In diesem Gebiet mit hoher Luftfeuchtigkeit und starken Regenfällen werden tropische Früchte, Kaffee, Zucker, Coca, Kakao, Gemüse und Tabak angebaut.
Im Südöstlichen Teil Boliviens liegen die mit Gestrüpp bewachsenen, fast undurchdringlichen Buschsteppen und Trockenwälder. Diese Gegend ist Grossteils unbewohnt und bietet damit Pflanzen- und Tierarten Unterschlupf, die anderenorts schon vertrieben und ausgerottet sind, wie z.B. dem Jaguar.
Zu guter letzt gibt es noch die tropischen Tiefländer, die umfassen den Regenwald Amazoniens die Feuchtsavannen und das Sumpfgebiet die fast 60% der Landesfläche ausmachen.

Wir fahren bei strahlendem Sonnenschein der bolivianischen Grenze entgegen. Der Titicacasee stets zu unserer linken Seite liegt wie ein tiefblauer Teppich umrandet von den Ackerfelder die vom Bauern entweder mit der Hand oder mit den Ochsen bewirtschaftet werden. Irgendwann an einem kleinen unscheinbaren Ort stehen wir plötzlich vor dem Schlagbaum der uns nur noch wenige Meter von Bolivien trennt. Der Austritt verlauft wie üblich schnell und problemlos, ausser das zum Zweiten mal der weisse Immigrationszettel von Adriano spurlos verschwunden ist. Irgendwie merkwürdig, denn meiner befindet sich immer im Pass, wir bekommen den Verdacht, das dieser Zettel unbemerkt von den Grenzbeamten bei der Autoeinfuhr- und Ausfuhr entwendet wird, damit sie für einen Neuen weitere 5 USD von den Gringos (Ausländer) kassieren können. Wie immer in solchen Momenten, verstehen wir kein Wort spanisch und müssen daher auch nichts bezahlen.

Die Bolivianer wollen uns nur 30 Tage Aufenthaltserlaubnis für uns und das Auto erteilen, doch da wir bestimmt länger als einen Monat das Land bereisen wollen, bestechen wir die Beamten mit einem Taschenmesser, den Tipp haben wir übrigens von zwei passionierten Schweizer Fahrzeugreisenden. Ohne Wimpernzucken bekommen wir den 90 Tage Stempel in die Pässe geklopft und verlassen nach nur 20 Minuten die Grenze bis zum 8km entfernten Copacabana.

Der Inbegriff für kurvige Latinas, süffige Cocktails und Sandstrand, doch weit gefehlt, denn das bolivianische Copacabana liegt auf fast 4'000 m.ü.M. und war einst für die Inkas ein bedeutendes Zeremonie- und Kultzentrum für die Spanier die das Gebiet eroberten, folglich ein Wallfahrtsort. Der gängige Weg der Katholiken, hatte man mal die Ureinwohner vom christlichen Glauben überzeugt, wurden auf dessen heiligen Stätte eine Kathedrale oder Kirche erstellt. Doch die Christianisierung verlief oft nur oberflächlich, Naturreligionen haben nach wie vor einen hohen Stellenwert.

Der Abendspaziergang führt uns an den Titicacasee, dort bestaunen wir die leuchtenden Rottöne der untergehenden Sonne. Von überall her steigt uns der Duft nach gebratener Forelle in die Nase, es wird langsam Zeit sich nach einem Restaurant um zu schauen, wenig später landen wir dann auch schon in einem schummrigen Lokal. Drinnen bekommen wir das Gefühl per Zeitmaschine in den 70er Jahren gelandet zu sein. Die Einrichtung von Tischtuch bis zur Lampe wird bestimmt von psychodelischen geometrischen Formen die zur erwähnten Zeit voll in Mode waren. Die Bilder an den Wänden wirken auf uns als wären sie unter Einfluss von harten Drogen gemalt worden. Die männliche Bedienung trägt das Haar lang und schlurft mit Flip-Flops über den alten knarrenden Holzboden. Das Restaurant ist gut besucht von Rucksackreisenden die unter dem Lichtkegel der Lampe sich mit Gesellschaftsspiele vergnügen. Die Forellenpizza und die mit Käse überbackene Forelle, gefüllt mit Gemüse und Quinua (Urgetreide der Inkas), das wir von der speckigen Karte ausgesucht haben schmeckt uns erstaunlich gut.

Nach den 70er Jahren befinden wir uns wieder in der Gegenwart und spazieren durch die belebte Gasse des bolivianischen Städtchens, durch das nun eine kühle Brise vom See her weht. In den wenigen Minuten in denen wir unterwegs sind, werden wir auch schon von einem Typen angesprochen, der uns einen Flyer (Flugblatt) in die Hand drückt mit dem Hinweis,hier gäbe es alles zu konsumieren was die geometrischen Formen in Bewegung geraten lässt, sprich alles was man sich wünscht an Drogen. Willkommen in Bolivien, dem Land indem nicht nur der revolutionäre Geist des Che-Guevara herumgeistert auch der blühende Tourismus der jungen Rucksackreisenden.

Den nächsten Tag widmen wir der Sehenswürdigkeit des Ortes, der Basilika Virgen de la Candelaria (Maria Lichtmess) der grossen weissen Kathedrale, auf dessen Vorplatz lassen sich die Bolivianer ihre Autos segnen. Zu diesem Anlass erscheint ein Franziskanerpater der mit seinem emailenden Eimer voll Weihwasser die Fahrzeuge und deren Angehörige mit einer Blume benetzt. Anschliessend werden die reichlich mit Papiergirlanden und Blumen geschmückten Fahrzeuge mit Bier übergossen und im Hintergrund Feuerkörper in die Luft gefeuert.

In der Markthalle von Copacabana kaufen wir für wenig Geld frisches Gemüse und lassen uns von der halben Kuh die am Fleischerhaken hängt ein Stück abschneiden, dass ich dann am Abend im Dampfkochtopf zu einem leckeren Ragout weiterverarbeite.

Die Weiterfahrt nach La Paz führt uns über einige Kurven zur schmalsten Stelle des Titicacasees hinab, hier werden wir auf einer mit Bretter zusammengenagelten Plattform, die nur mit zwei kleinen Bootsmotoren betrieben wird, über den See befördert. Ein unbehagliches Gefühl kommt da schon auf, wenn man die beiden hohen Fahrzeuge in verschiedene Richtungen fröhlich vor sich hin schaukeln sieht und unterhalb das Floss bedenklich knarrt. Pachamama (Mutter Natur) sei Dank, das sie uns nicht samt Fahrzeug auf den Untergrund des Titicacasees geholt hat.

Nach einigen gefahrenen Kilometern stehen wir in El Alto oben und schauen auf den tiefen Talkessel nach La Paz hinunter. Der Anblick auf die armseligen Bretterhütten die sich den steilen Hang hinaufziehen und den Wolkenkratzer die unten im Zentrum wie Pilze aus dem Boden schiessen geben absolut kein einheitliches Stadtbild ab und schon gar nicht wie das der Stadt mit dem Namen Frieden. Auf den steilen Serpentinen der Umfahrungsstrasse gelangen wir dann aber ohne übliches lateinamerikanisches Verkehrschaos nach Mallasa, wo sich das Hotel Oberland befindet ein weiterer Treffpunkt für Fahrzeugreisende. Nachdem wir uns endlich auf dem staubigen und unebenen Stellplatz des Hotels eingerichtet haben, ohne Treppen Fitness ist dies nicht zu bewältigen, gönnen wir uns ein Bierchen und gesellen uns zum australischen Pärchen mit ihrem rechtsgesteuerten Troopy.

Am nächsten Tag besichtigen wir einen kleinen Teil der Stadt, und zwar die Ecke um die Plaza San Francisco, mit den steil ansteigenden Einkaufsstrassen an denen sich Souvenirshop dicht aneinander reihen. An einer der Quergasse befindet sich auch die Calle Linares die bekannte Zaubergasse. Hier bieten die Kräuterhexen und Heiler geheimnisvolle gemahlene Pülverchen und Kräuter gegen allerlei Krankheiten und böse Geister an, unter anderem auch die Lama-Embryos da bin ich euch ja noch eine Antwort schuldig. Diese getrockneten Embryos werden beim Hausbau in alle der vier Ecken eingemauert und sollen den Bewohner Glück bringen und sie zusätzlich vor Leid beschützen.

In der Computergasse weiter oben besorgen wir uns noch eine neue Festplatte und werden dabei mit einem Ablenkungstrick der Firma Guck und Klau konfrontiert; ein Unbekannter spritzt Adriano irgend eine Flüssigkeit in den Nacken und will ihm danach auch sofort behilflich sein diese wegzuwischen, Adriano reagiert aber richtig nämlich gar nicht und hält statt dessen seinen Pfefferspray bereit.

Eine weitere unter den Fahrzeugreisenden bekannte Adresse ist die Autogarage des Schweizers Ernesto Hugs. Da der Schweizer gut ausgebucht ist müssen wir uns eine Woche gedulden bis wir einen Termin bekommen. Die wartende Zeit nutzen wir mit einem Ausflug ins bolivianische Tiefland den Yungas.

Während der Troopy sicher bei Ernesto auf dem Hof steht, fahren wir mit einem Taxi von Villa Fatima einem Vorort der Stadt zum Abra la Cumbra Pass hoch. Hier oben empfängt uns ein kalter Eisregen und dichter Nebel der uns bis zum Ostrand der Anden begleitet, die hier tief ins bolivianische Tiefland abfallen. Wir haben unserem Fahrer bereits schon vor der Abfahrt erklärt, dass wir die alte Strasse die berüchtigte Todesstrasse nach Coroíco nehmen wollen und nicht die neue und breitere Asphaltstrasse. Nachdem sich der Fahrer etliche Male gekreuzigt hat stechen wir auf die schmale Schotterstrasse ab, die uns über endlose Serpentinen durch zwei Vegetationsstufen hindurch in das grüne fruchtbare Gebiet der Yungas bringt. Da die Strecke von dem Bolivianer seit der Eröffnung der neuen Strasse gemieden wird, bleibt auch der gefährliche Lastwagen Verkehr mit den waghalsigen Kreuzungsmanöver aus. Die einzigen die wir unterwegs antreffen sind Touristen in orangen Westen auf Mountain Bikes die in geführten Touren dem Downhill Erlebnis auf der Todesstrasse nachgehen. Wir fahren durch den strömenden Regen auf der spektakulären Strasse die fast 3'000 Höhenmeter bergab und wäre nicht der zähe Nebel, hätten wir auch eine grandiose Aussicht auf die schwindelerregenden Abgründe. Die Vegetation wechselt nun zwischen Wasserfälle die direkt auf die Strasse fallen, grossen Farnen, Bambus und tropischen Sträuchern. Nun trennen uns nur noch wenige Kilometer vom 1'750 Meter hohen gelegenen Coroíco das von Hügel mit Kaffee, Zitrus-, Bananen- und Cocaplantagen umgeben ist. Im Hostal El Cafetal das sich unweit des Dorfes befindet buchen wir ein Doppelzimmer für die kommenden Tage und lassen uns von der delikaten französischen Küche des Hostals verwöhnen. Fürs Wochenende steht auch das jährliche Musik- und Tanzfest auf dem Programm, zu diesem Anlass sind aus allen umliegenden Dörfer die Menschen in Busen nach Coroíco gereist um hier zu den gespielten Klänge der Musikappellen und dem farbenfrohen Umzug ihre Ware zu verkaufen oder auch nur um ausgelassen zu feiern. Dabei wird nie vergessen das der erste Schluck immer zu Ehren der Pachamama auf den Boden geleert wird, andere Länder andere Sitten...

 

Zu den Klängen von Deep Purples Child in time treten wir die Rückreise nach La Paz an und werden von Donner und heftigen Regenguss der sich über der Stadt entleert zurück begrüsst.

 

Als wir in Ernesto Hugs Garage zurück sind, ist bereits schon das Getriebe entfernt worden und Adriano macht sich sofort an die Arbeit um die Kupplung auszutauschen. Da in Bolivien praktisch alle Ersatzteile für unser Fahrzeug aufzutreiben sind und erst noch günstig werden wir auch noch einige andere Wartungsarbeiten durchführen. Neue Bremsen und Bremsscheiben, Kupplungsgeber und Nehmerzylinder. Anlasser und Lichtmaschine revidieren, Ventilspiel einstellen, Neue Einspritzdüsen, alle Kreuzgelenke der Antriebswelle, alle Radlager tauschen und und und...fast jeden Tag findet Adriano etwas neues was er reparieren möchte. Eines ist uns in der Zeit die wir in der Garage verbringen sofort positiv aufgefallen, die Mechaniker arbeiten sauber und exakt und am Abend werden bevor die wohl sauberste Autowerkstätte verlassen wird alle Werkzeuge gesäubert. Das Beste dabei ist, dass man selbst am Fahrzeug arbeiten darf. Alle diese Arbeiten waren nicht zwingend notwendig, würden aber irgendwann einmal zurück in der Schweiz anfallen und dort wäre es das zehnfache vom Preis. Auch wäre es Zuhause nicht möglich die Reparaturen zusammen mit dem Mechaniker auszuführen und wir trauen seit Reisebeginn keinem Autoflicker mehr über den Weg. Nach fast zwei Wochen Arbeit für Adriano und den Mechaniker strahlt unser Troopy mit neuen Teilen glücklich vor sich hin.

Nach der Wellness Kur die Troopy bei Ernesto geniessen konnte, sind nun wir an der Reihe. Bei den Thermen im Parque Nacional Sajama legen wir uns ins warme schwefelhaltige Wasser mit der überwältigenden Aussicht auf den höchsten Berg Boliviens, dem 6'542 Meter hohen inaktiven Vulkan Sajama. Die warme Quelle verdanken wir aber dem aktiven Vulkan Parincota der sich nah an der Grenze zu Chile befindet. Nicht nur die Therme stimmt uns munter, auch das wir nach 3½ Wochen die wir im urbanen Talkessel von La Paz verbracht haben wieder unterwegs sind und uns im Hotel mit den Millionen Sternen aufhalten dürfen.

Über eine einsame Piste durchs Hochland an grasenden Herden Vicuñas und einer Lagune mit rosaroten Flamingos geht es dann wieder auf der asphaltierten Strasse zurück bis nach Huari wo wir auf eine üble Schotterpiste abbiegen die sich nach wenigen Kilometern in einen noch üblere Allrad-Baustellen-Piste mutiert. Wenn in Bolivien eine Strasse neu geteert wird, was in diesem Fall mit der Strasse nach Salinas de Garci Mendoza geschieht, wird dies mit sehr steilen Passagen und sandigen Umwegen kombiniert, im Ganzen ein sehr mühsames Unterfangen bei dem das Vorwärts kommen für Fahrzeug und Mensch zur reinen Tortur wird.

Für die nur 90 Kilometer brauchen wir nur schon wegen der deutschen Strassenkarte auf der der Meteorit-Krater falsch eingezeichnet ist und den ortsunkundigen Einheimischen gute 2 Tage. Ziemlich genervt und durchgerüttelt erreichen wir das verschlafene Kaff Salinas und können uns dank dem mobilen Obsthändler mit frischem Gemüse eindecken. Nur Brot ist im ganzen Nest keines zu finden, die älteren Frauen klären uns auf, dass seit den vergangenen drei Tagen kein Brot mehr gebacken wurde. Der Bäcker kämpft wahrscheinlich noch an den Nachwehen des Rausches den er sich an Allerheiligen und Allerseeligen angetrunken hatte. Somit kaufe ich im Tante Emma Laden Mehl und Trockenhefe und backe das Brot selber in der Bratpfanne.

Von hier aus starten wir mit einem vollen Diesel Tank, 70 Liter Zusatztank und einem gefüllten 20 Liter Kanister, den wir an der neuen Tankstelle im Ort zum üblichen Preis getankt haben und fahren nach Jirira dem Ausgangsort für den Salar de Uyuni. Leider ist auch diese kurze Strecke ein wahrer Hindernislauf. Anfänglich gelangen wir auf die Bergstrecke, die hinter dem Vulkan Tunupa durchführt, die endet aber in einem steinigen Pfad, den wollen wir unserem eh schon strapazierten zwanzigjährigen Fahrzeug nicht auch noch zumuten. Daher entscheiden wir uns für die Alternative über das furztrockenen Randgebiet des Salars, doch auch hier wird uns anschliessend ein ruppiger Abschnitt den wir im Kriechgang bewältigen nicht erspart. Der Troopy stöhnt und knackt und gibt uns zu damit verstehen, dass er solche Pisten nicht toll findet, wir können ihm dabei nur beipflichten.

Im kleinen Jirira am Salar de Uyuni stellen wir uns auf den staubigen Dorfplatz und es vergehen keine 5 Minuten da schleicht auch schon der erste Dorfbewohner um die Kabine herum und freut sich als endlich die Türe aufgeht und Adrianos Kopf erscheint.

Von diesem freundlichen Bewohner erfahren wir auch, dass sich ein Tourenfahrzeug im Dorf befindet das ebenfalls auf den Salar zur Isla Incahuasi fährt. Damit wir uns nicht auf der weissen heimtückischen Wüste verfahren, sollen wir uns doch dem Fahrzeug anschliessen. Die verbleibende Zeit nutzen wir um im einzigen Hostal des Dorfes heiss zu Duschen und zusätzlich noch Wasser zu füllen. Als wir das Wasser beim Besitzer zahlen möchten, meint dieser nur, für Wasser darf er kein Geld verlangen den das sei Lebensnotwendig. Wow, wir sind gerührt von den Worten und schenken dem liebenswürdigen Mann eine Tafel Schokolade.

Am frühen Nachmittag geht es dann los, wir fahren über die Rampe auf die grösste und wohl berühmteste Salzfläche der Erde, sie umfasst stattliche 12.000 qkm und liegt auf 3.600 Meter Höhe. Ursprünglich war der Salar ein riesiges Binnenmeer in den Anden, das dann austrocknete und diese Altiplano-Seen und -Salare zurückließ. Die weisse Wüste ist jedoch nicht nur wegen der Salzproduktion von 20.000 Tonnen pro Jahr interessant, sondern auch wegen des riesigen Lithium-Vorkommen (Legierungszusatz für Batterien), die ca. 75% des derzeit bekannten Weltvorkommens ausmachen.

Wir folgen dem schnellen Landcruiser über die sechseckigen Salzmuster und brettern in einer Geschwindigkeit von 70 km/h der Isla Incahuasi entgegen, die über die weite Salzfläche wie eine Fata Morgana wirkt. Um die Insel herum haben sich sicherlich schon 40 Tourenfahrzeuge versammelt (alles Toyota Landcruiser), wir stellen unser Fahrzeug mitten ins Geschehe und ziehen auch sofort neugierige Blicke an. Gegen den Abend verziehen sich allmählich die Fahrzeuge und wir haben neben den wenigen Dauerbewohner die Insel mit den riesigen Kakteen für uns alleine. Wir bleiben eine weitere Nacht auf der weissen Sandwüste wechseln dabei nur die Insel und lassen uns von den Farben der untergehenden Sonne einen weiteren Abend verzaubern. Über die Rampe in Colchani verlassen wir den Salar und gelangen auf die nächste Baustellen-Allradstrecke die immer wieder abwechselnd mit 20cm tiefer Wellblechpiste ins 215km entfernte Potosí führt.

Die Würfel sind nach dieser weiteren miesen Schotterpiste gefallen, wir planen spontan unsere Reise um und fahren anstatt der geplanten Lagunenstrecke, die genauso eine Rüttel- und Schüttelpiste ist, dazu kommen noch steile Kletterpassagen und Flussdurchquerungen, über die durchgehend geteerte Strasse nach Chile. Auch für eine geführte Tour ist uns die Lust vollends vergangen.

Doch zuerst schauen wir uns noch Potosí mit seiner bewegenden Geschichte an. Anfangs des 17. Jahrhunderts war sie aufgrund des hohen Silber- und Zinnvorkommens im Cerro Rico (reicher Berg) eine der reichsten Städte der Welt und die wohlhabendste in ganz Südamerika. „Des einen Glück ist des anderen Leid“ Für die Indígenas bedeutete es der Eingang zur Hölle, ganze Dörfer von Hochlandbewohnern wurden von den Spaniern zur Arbeit in den Silberminen gezwungen und bis zu 8 Millionen schufteten sich darin auch zu Tode. Im 18. Jahrhundert kam dann aber der Absturz der höchstgelegenen Grossstadt der Welt. Das Silber im Berg war so gut wie ausgebeutet.

Noch heute lebt Potosí vom Bergbau in erster Linie wird Zinn und Zink abgebaut, gegenwärtig arbeiten ca. 15.000 Männer und Kinder im Alter ab 11 Jahren, unter schlechten und gefährlichen Bedingungen im zwischenzeitlich durchlöcherten Berg. Sie verdienen für bolivianische Verhältnisse recht gut, aber bis zum heutigen Tag sterben regelmässig Minenarbeiter an Staublunge oder bei Unfällen und Explosionen. Um die Hitze und den Staub in den Minen zu ertragen, kauen die Minenarbeiter den ganzen Tag Coca-Blätter und spülen den Staub mit 96-prozentigem Alkohol herunter. Die Tour in die Minen lassen wir aus Gesundheits- und Sicherheitsgründen bleiben.

Wir besteigen hingegen die im Jahre 1691 aus Granitsteinen erbaute Kirche der Franziskaner, dem Convento San Francisco. Hier oben auf dem Turm haben wir eine grossartige Aussicht über die Stadt und den Cerro Rico. Nachdem wir die Bilder im Kreuzgang und in der Sakristei gesehen haben steigen wir in die Katakombe hinunter, wo uns muffiger Geruch alter feuchter Gemäuer und aufeinander gelegten Totenköpfe empfängt.

Den Abend gestalten wir mit einem Kinobesuch und schlendern anschliessend durch die belebten Gassen die voll mit Studenten sind, die sich entweder in den Spielsalon mit Computerspiele vergnügen oder in Gruppen kichernd herumziehen. Nicht nur das von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärte historische Zentrum Potosís mit den lauschigen Innenhöfen und den verzierten Holzerkern, auch das karge Altiplano (Hochebene) mit den freundlichen Menschen, mal abgesehen von den schlechten Strassenverhältnissen, haben uns sehr begeistert.


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Von Alaska nach Feuerland, Powered by Joomla!